Yōchien oder Hoikuen? Japanische Kitas

In Japan gibt es zwei unterschiedliche Systeme an Kitas. Zum einen die Yōchien und zum anderen die Hoikuen.

Was ist ein Yōchien?

Yōchien 幼稚園 sind meistens ab drei Jahren bis zur Grundschule und je nach Betreiber sehr unterschiedlich strukturiert. Außerdem sind die meisten Yōchien privat, es gibt nur weniger Städtische.

Die meisten von ihnen verlangen eine Uniform und sind nur halbtags mit weniger Plätzen für eine längere Betreuung. Oft haben sie Schulbusse und manche haben schon ein System wie die Vorschule, in dem die Kinder bereits sitzen und lernen müssen. Es gibt aber auch welche, die ganz auf freies Spiel setzen, das kommt ganz auf den speziellen Yōchien an.

Yōchien sind außerdem oft mit einem höheren Aufwand für die Eltern verbunden (also die Mutter, weil Japan..). Denn es gibt die gefürchtete PTA (Parents Teacher Association) in der sich engagiert werden muss.. Eltern müssen immer mal wieder etwas für Events vorbereiten oder Bento an den Bentotagen mitgeben.

Da viele dieser Yōchien privat betrieben werden, kosten sie auch wesentlich mehr als die Hoikuen. Allerdings, seitdem Japan die kostenlose Kita eingeführt hat, haben sich viele der Yōchien bemüht in der Förderung akzeptiert zu werden, so dass den Eltern ein großer Teil der Gebühren erlassen werden kann.

Wer nutzt den Yōchien?

Viele hauptberufliche Hausfrauen nutzen den Yōchien weil sie in vielen Teilen Tokios sowieso keine Chance auf einen günstigen Hoikuenplatz hätten. Außerdem werden Yōchien doch irgendwo als etwas besseres und somit erstrebenswertes angesehen. Wer es sich leisten kann, schickt sein Kind in einen guten Yōchien.

Was ist ein Hokuen?

Hoikuen 保育園 dagegen sind oft ab 3 Monaten, haben also eine integrierte Krippe. Auch hier gibt es allerdings viele Variationen. Manche bieten nur die Krippe an und ab drei Jahren muss gewechselt werden, zum Beispiel in einen Yōchien. Oder es gibt auch in Hoikuen nur Plätze ab drei Jahren weil die Betreuung jüngerer Kinder viel teurer ist. Oder aber es gibt Klassen von 0-5 Jahre, also die ganze Spanne bis zur Grundschule.

Es gibt sehr viel mehr öffentliche Hoikuen als Yōchien, aber auch sehr viele private. Denn zumindest in Tokyo kann der Bedarf nicht alleine durch die öffentlichen gedeckt werden.

Auch die öffentlichen Hoikuen 区立保育園/市立保育園 werden von privaten oder extra dafür gegründeten Subunternehmen betrieben, unterliegen aber einer strikten Kontrolle und müssen bestimmte Auflagen erfüllen.

Dann gibt es noch private Hoikuen, die aber von der Stadt anerkannt sind, sogenannte Ninka-Hoikuen 認可保育園 oder Ninsho-Hoikuen 認証保育園. Letztere kosteten bis vor kurzem mehr als die gewöhnlichen Hoikuen, boten aber Sicherheit durch die Kontrollen.

Gänzlich private Hoikuen werden nicht regelmäßig kontrolliert. Bei Anmeldung zur Öffnung müssen gewisse Standards erfüllt werden, aber wie am Ende mit den Kindern umgegangen wird oder wieviele Erzieher anwesend sind, verfolgt am Ende niemand direkt nach. Leider gibt es unter den privaten Hoikuen einige wenige schwarze Schafe, weshalb man sich vorher gut umhören sollte wie es in ihnen zugeht bevor man sein Kind dort anmeldet.
Diese ganz privaten Hoikuen werden oft als Ninkagai Hoikuen 認可外保育園 bezeichnet.

Bei den öffentlichen Hoikuen und den Ninka-Hoikuen bestimmt die Stadt darüber wer einen Platz bekommt und auch über die Stadt muss der Antrag gestellt werden.
Ninsho und Ninkagai Hoikuen entscheiden selbst darüber wen sie aufnehmen und wen nicht.

Wer nutzt den Hoikuen?

Hoikuen sind primär für die arbeitende Bevölkerung gedacht, bzw. für den Teil der Bevölkerung bei dem beide Elternteile Vollzeit arbeiten. Wohnt man aber in nicht ganz so dicht besiedelten Gebieten, kann man auch als nicht arbeitender oder nicht Vollzeit arbeitender Elternteil einen Platz dort bekommen.

Ichijihoiku

Außerdem gibt es in einigen Hoikuen Plätze, die nicht an eine bestimmte Person täglich gebunden sind. Diese werden gerne von Eltern genutzt, die ihr Kind nur einen oder zwei Tage in die Kita geben wollen.
Das System nennt sich Ichijihoiku 一時保育 (1-Stunden Betreuung) und findet sich auch in anderen Einrichtungen bei denen man sein Kind stundenweise abgeben kann wenn man mal einen wichtigen Termin hat oder einfach mal nur in Ruhe etwas erledigen möchte. Das kostet dann allerdings wieder etwas.

In öffentlichen Hoikuen steht ganz klar das spielerische Lernen im Vordergrund. Die Kinder werden schrittweise und auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten an die Bedingungen in der Grundschule herangeführt.

Alle öffentlichen Hoikuen in Tokyo sind dazu verpflichtet Muttermilch anzunehmen, sollte man darauf bestehen dass das Kind keine Formula bekommen soll. Außerdem akzeptieren auch viele Stoffwindeln.

Ich habe jetzt schon ab und zu gehört dass das Klassensystem in den großen Hoikuen nicht gefällt weil die Kinder so nicht mit anders altrigen Kindern zusammen kommen.
Ich kann nur für unseren Hoikuen sprechen, aber bei dem ist es auf jeden Fall nicht so.

Sowohl draußen im Hof, als auch drinnen treffen die Kinder aufeinander. Dabei wird leicht nach Altersstufen getrennt. Trotzdem kommt mein Sohn auch ab und zu mit den Einjährigen in Kontakt, mehr jedoch mit den Zweijährigen und den älteren.

Lediglich die Kinder in der 0-Jahresklasse werden relativ gut abgeschirmt und kommen nur mit den Kindern der 1-Jahresklasse in Berührung.
Innerhalb des Gebäudes besuchen sie sich gerne zu festgelegten Zeiten oder treffen sich im Lehrerzimmer. Ein dauerhaftes Zusammensein gibt es zwar nicht, aber auch keine strikte Trennung.

Ich hoffe, ich konnte ein bisschen Klarheit in diesen Wust aus unterschiedlichen Einrichtungen bringen 😉

3 thoughts on “Yōchien oder Hoikuen? Japanische Kitas

  1. Meine zwei Jungs sind auch in einem anerkannten Hoikuen (also Ninka-Hoikuen) und ich glaube, der gehört auch zu den größeren. Bei den 0-Jährigen, wo mein Kleiner aktuell noch hingeht (ab April ist er ja dann in der nächstälteren Gruppe), sind, glaube ich, so um die 8 Kinder und 3 Erzieher. Bei den größeren Gruppen (ab 2 oder 3 Jahre) sind es je 11-12 Kinder. Mein Großer ist aktuell noch in der Gruppe der 3-Jährigen. Und bei denen ist es mit der Durchmischung auch so, wie du es in deinem Kindergarten erlebst: Die ganz Kleinen haben viel Kontakt mit den 1-Jährigen, sowohl beim Essen als auch Spielen. Z.B. isst meiner, da er im Mai geboren ist und deshalb in der Gruppe der 0-Jährigen mit am weitesten entwickelt ist, schon ziemlich lange mit den 1-jährigen Kindern zusammen am Tisch, während die kleineren Babys noch im Liegen oder speziellen Tischlein für ganz Kleine gegessen haben.
    Die 3-, 4- und 5-Jährigen spielen die meiste Zeit zusammen. Deren Zimmer in der 1. Etage liegen auch direkt nebeneinander und sind eigentlich ein großer Raum, der durch Wandteiler bei Bedarf getrennt werden kann. Früh morgens sind die drei ältesten Gruppen immer alle zusammen. Wenn das Programm dann offiziell losgeht (mit dem Begrüßungslied, dann Bewegungsspielen), ist jede Gruppe für sich. Beim Essen sind sie auch unter sich, soweit ich weiß. Aber am Nachmittag sind die Raumteiler dann alle wieder weg und es wird ganz bunt durcheinander gespielt – jeder mit jedem und das, was man grad möchte.
    Zudem wird dort auf ganz sanfte Weise auch schon viel Wissen vermittelt, was ab der Grundschule später wichtig ist. Z.B. hat mein Großer, seit er bei den 3-Jährigen ist, einen Stickerheft-Kalender bekommen. Jeden Morgen, wenn er in den Kindergarten kommt, guckt er im Kindergarten am Kalender, welcher Wochentag und welches Datum heute ist, und klebt sich einen kleinen Aufkleber seiner Wahl in den entsprechenden Tag in seinem Stickerheft (oder eigentlich hat er das schon gemacht, bevor er in die Gruppe der 3-Jährigen gekommen ist, denn seit Corona dürfen wir Eltern nicht mehr in die Gruppenräume, aber ich erinnere mich noch, wie ich das anfangs zusammen mit Loui geklebt hab, wenn ich ihn hingebracht habe. Ich vermute, ab Corona haben das dann die Erzieher übernommen). Auf vielen Spielsachen sind Hiragana-Schriftzeichen mit passenden Bildern aufgeklebt. Und vermutlich wird auch im Kindergartenalltag vieles in der Silbenschrift festgehalten und laut mitgesprochen. Ich weiß nicht, was genau gemacht wird, aber in den letzten Monaten konnte Loui bereits zunehmend viele Hiragana-Wörter selbstständig lesen, wenn sie irgendwo standen (z.B. die Namen anderer Kinder in den Bilder- und Bastelgalerien im Flur oder manche Wörter in Bilderbüchern). Teils hat er die Sachen sicher auch gesagt, weil er einfach längst auswendig wusste, welche Sätze wo stehen. Aber grad neulich hat er am Reiskocher „okoge“ (Reis mit leicht angebrannter Knusperkruste) gelesen und das hat ihm bei uns zu Hause definitiv noch keiner vorgelesen. Und sogar an Buchstaben versucht er sich schon. Das „S“ ist oft spiegelverkehrt und die kleine Ecke vom „G“ zeigte neulich nach außen statt nach innen, aber dass er mit vier Jahren schon so viel vom Aufbau einzelner Buchstaben gelernt hat UND die Feinmotorik schon ausreicht, um das auch lesbar wiederzugeben – da war ich schon baff. Und einen Lehrer für eine Englisch-Spielgruppe haben sie auch, mit dem mehrmals pro Woche auf Englisch getanzt und gespielt wird, wodurch inzwischen einiges hängengeblieben ist. (Und auf dem Dach turnen sie und die älteren spielen Fußball, machen auch kleine Turniere mit Kindern aus anderen Kindergärten. Die größeren Klassen züchten gelegentlich Gemüse, das dann geerntet und gegessen wird, etc.) Auch ohne Stillsitzen und Frontalunterricht macht unser Hoikuen also im Prinzip ziemlich viel „Unterricht“, so dass ich persönlich bei dem Argument, dass im Yochien viel gelernt wird und im Hoikuen nicht so wirklich, etwas skeptisch bin. Ich vermute, es kommt ganz auf die Gegebenheiten vor Ort an. Mittlerweile wandeln sich Werte und Familienbilder in Japan ja auch. Das höchste Gut für Kinder ist nicht mehr, lange brav zuhören zu können, sondern höflich miteinander zu diskutieren und gemeinsam Lösungen zu finden. Vom uniformen Ausbilden einer einheitlichen Masse geht es immer mehr dahin, individuelle Stärken zu entdecken und zu fördern. Und manchmal – ganz manchmal – sieht man wohl sogar schon einen Vater bei den berüchtigten PTAs (zu denen aber gerade jetzt zu Corona-Zeiten auch immer mehr Stimmen laut werden, dass da viel Unnötiges gemacht wird und das abgeschafft oder zumindest abgespeckt werden sollte. Da immer mehr Familen zwei arbeitende Elternteile haben, kann man die dortigen Aufgaben auch gar nicht mehr so stemmen wie früher, wo es gang und gäbe war, dass die Mutter Hausfrau oder maximal Teilzeit-Jobberin ist). Daher bin ich gespannt, wie es mit der Kindererziehung und der Profilbildung der Hoikuens und Yochiens in den kommenden Jahren in Japan noch weitergeht. Meine Vermutung ist, dass die inhaltlichen Grenzen immer weiter verschwimmen werden.

    1. Wow! Ich glaube erst in diesem Jahr wird meiner langsam an Hiragana herangeführt. Zumindest haben wir die Nachricht bekommen dass die Beschriftung der Kleidertüten nun in Hiragana ist, weil es ihr Ziel ist, dass die Kinder komplett selbst packen und schauen was auf der Tüte steht und was sie einpacken müssen.
      Ich fand auch dass sie ihnen super viel beibringen im Hoikuen. Ich musste mich bisher um nichts kümmern, weil der Hoikuen das alles eh viel besser gemacht hat als ich je könnte. Angefangen beim Toilettentraining..
      Ich habe inzwischen auch rausgefunden, dass sie das richtige Karuta mit langen Sprüchen spielen, die sie tatsächlich auswendig können…
      Apropos Karuta… Ich hab’s total vergessen.. Sorry >.<

      1. Ooooh ja, mit dem Toilettentraining geht es mir genauso! Ich war wirklich beeindruckt, wie gut die Erzieher das Timing abgepasst haben und wie sie das schrittweise erweitert haben. Da merkt man schon, dass da eine echt gute Ausbildung und auch Erfahrung dahinter steht, was? Und die Erzieher sind auch immer sehr leichte Ansprechpartner, wenn ich doch mal wegen irgendwas besorgt bin, z.B. wenn einer der zwei was angestellt hat (neulich hatte Rick mal ’ne Trotz-Phase, bei der er Sachen rumgeworfen hat, auch harte Spielzeugautos und so) oder wenn ich merke, dass ich in letzter Zeit zu schnell die Nerven verliere und nicht so recht weiß, wie ich entspannter an die Kindererziehung rangehen kann. Die Erzieher geben mir da immer mal hilfreiche Tipps.

        Loui hat letzte Woche oder so plötzlich angefangen, wirklich vieles in Hiragana selbst zu lesen. Und wirklich neu_ zu lesen. Z.B. die Fischnamen und Kommentare der Pinguin-Sushiköche und -Kellner in seinem Bilderbuch-Sushi-Lexikon. Oder irgendwelche Hinweisschilder auf der Straße. Die weichen Laute mit den Pünktchen (ga, da, za, …) liest er auch schon ganz ohne Hilfe, bei den kleinen Kana „ya/yu/yo“ (also z.B. ちょっ in ちょっと) braucht er zum Teil noch Hilfe, aber manchmal kann er es sich auch aus dem Kontext erschließen oder wir helfen ihm einmal bei der Aussprache und danach hat er es sich erst mal gemerkt und liest die nächsten kleinen Hiragana dann von allein richtig. Mein Mann und ich sind immer richtig sprachlos, wenn wir ihn so lesen sehen. Und das nur durch dieses indirekte, spielerische Einführen in die Schrift. Ich schätze, bei deinem Zwerg wirds sicher auch recht schnell gehen, wenn das im Kindergarten jetzt vermehrt mit eingebunden wird.

        Und kein Problem mit dem Karuta! ^^ Aber ich freu mich natürlich drauf.

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