Als der Lütte vor etwas mehr als 7 Jahren in die öffentliche Kita kam (betrieben durch unsere Stadt innerhalb Tokyos) gab es natürlich die Option zwischen eigenen Stoffwindeln und eigenen Wegwerfwindeln zu entscheiden.

Was beide im Endeffekt gemeinsam hatten war, dass man beide in gebrauchter Form am Ende des Tages wieder mit nach Hause nehmen und dort entsorgen musste. Die Kita bot es nicht an die Windeln für alle Kinder zu entsorgen. Überlegt mal wieviele das am Tag sind wenn die Kinder von 0-3 Jahren Windeln brauchen und pro Klasse etwa 20 Kindern bis zu 6 Mal die Windeln gewechselt werden. Das sind 480 Windeln am Tag!

Aber dann wurde das doch geändert und ich fragte mich weshalb. Vor allem weil die Windeln, aufbewahrt in riesigen Boxen neben dem Fahrradstellplatz des Personals, nicht mit dem normalen Müll zwei Mal die Woche abgeholt wurde sondern mit gesonderten Müllautos sehr viel seltener. Hatte man das Pech grade an der Kita vorbei zu gehen wenn sie die gebrauchten Windeln rausbrachten und die Boxen öffneten, kam ein Schwall schlechter Luft zu einem herüber. Übrigens ist das Tragen der Müllsäcke voller Windeln sicher eine ganz schöne zusätzliche Belastung für das Personal. Sie sind sicher sehr schwer. (Ich bin ein Fan von Stoffwindeln wenn für die Familie möglich.)

Tja.. und dann sah ich einen Bericht und es machte Klick.

Haltet euch fest! Es wurde ein Verfahren entwickelt wie aus gebrauchten Windeln Häuserwände gemacht werden! Und die Windeln aus der Kita werden dafür gesammelt. Wer jetzt in Japan ein Haus baut muss damit rechnen dass die Wände mit benutzten Babywindeln gefüllt sind😉

Natürlich stimmt das so nicht ganz..

Das Sammelsystem für Windeln gibt es schon länger. Es werden nicht nur Windeln von Babys gesammelt sondern natürlich auch die aus Altenheimen. Innerhalb Japans gibt es verschiedene Firmen die die Windeln sammeln und ihre Komponenten trennen. Dabei werden sie gleichzeitig gereinigt. Aus den unterschiedlichen Komponenten werden von anderen Firmen dann wieder Produkte hergestellt. Ein Teil der Windeln (der Zellstoff), wird zum Hausbau verwendet. Das Saugmaterial zum Beispiel für die Herstellung von Toilettenmatten für Hunde oder zur Jungpflanzen Anzucht.
Auf Japanisch könnt ihr hier mehr dazu lesen: https://www.env.go.jp/content/900534452.pdf

In Deutschland gibt es ähnliche Projekte.

Jetzt bleibt nur die Frage.. kann man als Privathaushalt auch seinen Teil beitragen?
Je nachdem wo man wohnt tatsächlich. In manchen Städten oder Gemeinden gibt es Recyclingboxen (Kyushu). Hat man das Glück in Hachioji oder Machida zu wohnen, gibt es einen Abholservice auch für Privathaushalte. Higashi Yamato scheint ebenfalls zu experimentieren.

Seit 2011 gibt es diese Bemühungen. Ich gehe davon aus, dass die Möglichkeit Windeln zu recyceln Stück für Stück ausgebaut wird. Keine Industrie außer der Müllverbrennung kann mal eben mit den riesigen Bergen an Wegwerfwindeln klar kommen.

Ein paar Zahlen für Deutschland:
Der Umsatz von Windeln wird 2023 wohl bei ca 0,82Mrd.€ liegen (dabei ist nicht klar ob Stoffwindeln eingerechnet wurden). (Statista)
3,6 Milliarden Einwegwindeln landen jedes Jahr im Restmüll (Bayrischer Rundfunk)
Sie machen etwa 10-20% des Restmülls aus (Quarks)
Eine Windel braucht ca 500 Jahre bis sie zersetzt ist (Quarks)
Ein Kind das mit Einwegwindeln gewickelt wird sorgt für ca. 220 Kilogramm CO2 Ausstoß pro Jahr (Quarks)

Hier in Japan ist der Umstieg auf Stoffwindeln besonders schwierig weil Waschmaschinen nur kalt waschen und man die Windeln extra mit über 60 Grad heißem Wasser behandeln muss um sie hygienisch zu halten.
Daher ist das Recycling der Wegwerfwindeln erstmal ein unglaublich wichtiger Schritt.