Das Problem mit europäischen Gärten in Japan
Dank meiner Herkunft bekomme ich in meiner Firma gerne die Pflanzenauswahl für speziellere Gärten zugeteilt.
Das mich das ab und zu mal vor Probleme stellt, möchte ich am Beispiel unseres momentanen Kunden erklären.
Vor kurzem haben wir den Garten einer Familie in einem größeren Wohnhauskomplex gemacht.
Er geht nach Süden raus und so war es kein Problem schöne, europäisch anmutende, Pflanzen auszuwählen. Die Auswahl lag da auch nicht bei mir..
Nun kam aber die Firma, die mit der Betreuung des Wohnkomplexes betraut ist, regelmäßig vorbei um die Arbeiten zu überprüfen.
In Japan kann man als Mieter nicht einfach mal den Garten umgestalten wie man es gern hätte..
Und diese Firma kam nun auf den glorreichen Gedanken unsere Designfirma auch für alle öffentlichen Flächen der Anlage zu engagieren.
Und sie waren begeistert vom „europäischen“ Flair des Südgartens..
Nun kam ich ins Spiel.
Mein Chef stand etwas unter Zeitdruck und gab das Aufzeichnen des mittleren Gartens an mich ab. Und schwupps hatte ich den mittleren Garten an der Backe, sowie inzwischen auch die Pflanzen- und Gestaltungsauswahl zweier weiterer Flächen.
Meine Pflanzen der einen Fläche sind schon einmal bei ihm durchgefallen: zu Japanisch.
Also nochmal ran..
Kommen wir jetzt aber zu den Vorstellungen, die ein Japaner gerne bei einem Garten erfüllt sehen würde..
Der Garten soll immergrün sein. Er soll hell wirken. Er soll möglichst zu jeder Jahreszeit ein (blühendes) Highlight haben. Er soll absolut pflegeleicht sein.
Pflegeleicht bedeutet, die Gärtner kommen 4x im Jahr, schneiden Bäume, entfernen grob Unkraut und gehen einmal mit der Heckenschere über alles Grün.
Na? Merkt ihr schon etwas?
Europäischer Garten, der immer blüht und pflegeleicht ist? Dazu hell aber immergrün?
Die Lage dieses Teilstücks ist außerdem herrlich, wird nur noch vom mittleren Garten getoppt, den ich nicht ganz so pflegeleicht durchbekommen habe..
Dieses Stück geht nach Westen raus. Begrenzt im Süden und Osten durch den 4 stöckigen Wohnkomplex. Im Westen trennt ihn eine 3 Meter hohe immergrüne Hecke von der Straße. Im Norden steht ein anderes 3 stöckiges Wohnhaus. Dazwischen ist lediglich der Garten und eine Einfahrt, breit genug für ein Auto.
Ich habe zwar Licht dort, aber Sonne höchstens im Sommer zur Mittagszeit, wenn die Sonne im Zenit steht.
Aber.. ein kleiner Trost, mein Chef lässt eigene Ideen einfließen und knallt mir dann zum Beispiel eine Skizze auf den Tisch, mit zu Quadern geschnittenem Bux vor der Wand (ich habe ihn schon versucht davon zu überzeugen, dass in Japan Ilex wahrscheinlich die bessere Wahl ist..) und dazwischen zu Spiralen gedrehten Koniferen.
Naja.. Mir wird schon ein grobes Gesamtkonzept einfallen..
Zum Abschluss möchte ich den Titel für alle Nicht-Gärtner noch einmal genauer erklären.
Wenn man zum Beispiel im Internet nach Bildern englischer Gärten sucht, tauchen meist Rasenflächen mit anschließendem üppigen Staudenbeet auf.
Das sieht im Sommer ganz toll aus, im Winter ist es aber zum Großteil kahl. Wie die meisten Gärten in Deutschland auch.
In Europa benutzen wir vor allem Stauden, und jetzt auch Gräser, zum Gestalten der Beete. In Japan nutzt man normalerweise Sträucher und Bäume.
Dass nun Pflanzen über den Winter komplett verschwinden weil sie einziehen, ist für Japaner nicht normal. Der nicht-garten-versierte Japaner denkt sofort, auch bei laubabwerfenden Bäumen, die Pflanze sei tot.
Auch gibt es hier recht wenig Hobbygärtner, die gerne selbst etwas im Garten machen, bzw. die, die sich einen teuren Garten gestalten lassen, haben keine Lust selbst Hand anzulegen.
Es ist also schwer einem Japaner einen „echten“ europäischen Garten mit vielen Stauden zu verkaufen.
Für sie ist er im Winter zu hässlich und er bedarf zu viel Pflege.
Sie möchten nicht in den Garten gehen und Unkraut ziehen. Möchten nicht alte Blüten oder gelbe Teile wegschneiden. Zu große Stauden teilen und wieder einsetzen oder sie gar im Herbst runterschneiden.
Für Wohnanlagen spielt das Geld, das für die Grünflächenpflege aufgewendet werden muss, natürlich außerdem eine große Rolle.
Ein Garten, der eigentlich einen Vollzeitgärtner bedarf? Is nicht..
Und nun liegt es an mir irgendwie diesen Spagat hinzubekommen.
Aber wie heißt es so schön? Man wächst mit seinen Aufgaben!
Tja… so pflegeleicht und immergrün bzw.. blühend wie es die Kunden gerne haben wollen sind dann wohl eigentlich nur Plastikpflanzen! 😉
LG,
Viola
Ich werde es demnächst vorschlagen!!
Einige, die hier doch ihren Garten selbst machen, dekorieren übrigens wirklich ab und zu mit Plastik.. Grad neulich hab ich drei Plastik-Kakis in einem Kakibaum entdeckt…
Von der Plastik-Efeu-Wandverkleidung ganz zu schweigen…
schließt sich garten und pflegeleicht, nicht von vorherein aus. pflegeleichter garten ist für mich ein oxymoron