Hallo,
Mir wurde heute ein Thema in die Timeline gespült, das mich persönlich sehr interessiert.
Es ging darum, dass wir onbuhimo und nicht onbu sagen sollten.
Ich habe leider vergessen zu schauen ob es ein uralt Thema war oder aktuell und jetzt finde ich es nicht mehr, aber auf jeden Fall war die Kommentarfunktion ausgeschaltet.
Allerdings möchte ich gerne etwas dazu schreiben, denn ich habe mal in meiner Gruppe aus Mitgliedern der Japanischen Babywearing Association gefragt was sie darüber denken.
Natürlich geben die Antworten nur einen kleinen Ausschnitt einer sehr großen Bevölkerungsgruppe wieder.
Aber, so wie ich Japaner in Japan bisher kennengelernt habe, ist es den meisten eh völlig schnuppe ob man in Deutschland/Österreich/Schweiz/Rest der Welt onbu oder onbuhimo sagt. Japaner interessieren sich nämlich vor allem für Japan😉
Aber zurück zum Thema und erstmal zu meiner subjektiven Meinung.
Ich finde die ganze Namensgebung allgemein etwas schwierig weil das was wir unter onbuhimo kennen so ganz anders ist als das was in Japan ein onbuhimo ist.
Soweit ich die Geschichte nachverfolgen konnte basiert der westliche onbuhimo sehr lose auf verschiedenen Tragehilfen aus dem asiatischen Raum und wurde in Amerika entwickelt.
Vergleicht man den japanischen onbuhimo und den westlichen onbuhimo, fällt sehr schnell auf, dass der Unterschied ähnlich der eines Halfbuckles zu einer Meh Dai ist.
Der westliche onbuhimo hat eine Schnalle wo der japanische onbuhimo nur Bänder zum binden hat.
Nur kennen wir den Halfbuckle als Unterform der Meh Dai mit eigenem Namen. Meiner persönlichen Meinung nach müsste der westliche onbuhimo daher eigentlich einen extra Namen wie „Schnallen-Onbuhimo“ oder „Buckle-Onbuhimo“ bekommen. Das macht nur das „Abkürzungsproblem“ noch relevanter.
Übrigens gibt es in Japan auch einen Begriff um eine gewisse Art des onbuhimo zu beschreiben.
„Mukashi nagara no onbuhimo”. Das wäre etwa “traditioneller onbuhimo“ vom Sinn her.
Und dann gibt es natürlich noch die ganzen anderen Begriffe die das Tragen auf dem Rücken mit unterschiedlichen Mitteln beschreibt.
Onbuhimo beschreibt nämlich auch hier lediglich „eine Tragehilfe zum Tragen auf dem Rücken“. Das Pendant dazu ist „dakkohimo“ – eine Tragehilfe zum Tragen vor dem Bauch.
Nicht aber unbedingt einen speziellen Typ Tragehilfe. Das was halt am ehesten mit onbuhimo assoziiert wird ist der mukashi nagara no onbuhimo aus den 1960ern.
Wie bereits bekannt beschreibt „onbu“ das Tragen auf dem Rücken in einer typischen Position. Dakko ist das allgemeine Tragen vor dem Bauch. Das „himo“ ist also notwendig um zu verdeutlichen dass eine Tragehilfe benutzt wird.
Aber kommen wir zu den Meinungen meiner kleinen ausgesuchten Gruppe Japanerinnen, die, wie wir auch, alle Trageberaterinnen sind.
Alle sind sich einig, dass eine Abkürzung von onbuhimo zu onbu innerhalb Japans nicht gut sei, da beide Begriffe unterschiedliche Dinge bezeichnen.
Innerhalb Japans haben sie jetzt schon langsam das Problem, dass sie in den Beratungen extra darauf eingehen müssen dass der westliche onbuhimo und der japanische onbuhimo unterschiedlich sind.
Dabei verkauft Didymos, der langjährig einzige Hersteller von Tragen vom Typ Tragetuchstoff in Japan, hier gar keinen DidyGo (weshalb eigentlich?) Der westliche onbuhimo gelangt erst jetzt langsam durch Fidella und Limas Flex ins Bewusstsein der japanischen TBs.
Wenn japanische TBs schreiben, umschiffen sie das „Problem“ gerne indem sie für den japanischen onbuhimo „mukashi nagara no onbuhimo“ verwenden und den westlichen entweder als buckle-shiki onbuhimo bezeichnen oder in unserer lateinischen Schrift schreiben. Alles andere wird selbstverständlich in Hiragana und Kanji geschrieben.
Für Japaner ist etwas, das in unserer Schrift geschrieben wird, gleich etwas ganz anderes als wenn es in ihrer Schrift geschrieben wird, selbst wenn man es gleich ausspricht.
Sie mischen dann also die Schriftsysteme.
Nun zu der Frage wie sie es empfinden wenn z.B. Deutsche in Deutschland „onbu“ sagen.
Die meisten empfinden es nicht als Problem und sehen ihre Kultur dadurch nicht angegriffen. Schon alleine aus dem Grund der Schrift.
Onbu und おんぶ sind für sie ganz verschiedene Dinge.
Wünschen würden sich nur alle, dass die Trageberater sich der Herkunft des Wortes bewusst sind und auch den Unterschied zwischen einem westlichen und einem japanischen onbuhimo kennen und wissen was onbu bedeutet.
Japaner freuen sich immer unglaublich wenn man sich für ihre Kultur und Sprache interessiert. Dabei zählen schon die kleinsten Bemühungen. So kann ein kleines arigatou oder konnichi wa schon zu Begeisterungsstürmen und großem Lob führen.
So auch meine Gruppe. Sie haben sich wahnsinnig darüber gefreut, dass hier auf dieser Ebene über die Begriffe onbu und onbuhimo diskutiert wird – zeugt das doch von einem Interesse an der japanischen Kultur!
Fühlen sich Japaner nun aber angegriffen wenn man onbu statt onbuhimo sagt?
Höchstwahrscheinlich nicht.
Aber, wenn man die japanische Sprache und Kultur respektieren möchte, dann tut man ihnen einen Gefallen in den Beratungen „onbuhimo“ zu verwenden und gegebenenfalls einen Exkurs in die Herkunft des Namens zu geben, da onbu alleine eine spezielle Art des Tragens auf dem Rücken bezeichnet, das mit westlichen onbuhimo nicht immer erreicht wird.
Und als Funfact obendrauf: onbuhimo wird ombuhimo ausgesprochen 😉
Ach ja, und da es keine Artikel im Japanischen gibt, gibt es da auch kein richtig oder falsch bei der, die, das onbuhimo 😉 Irgendwann setzt sich was durch und landet im Duden und ist somit quasi offiziell.
Ich hoffe, ich konnte bei dieser Frage aller Fragen weiterhelfen😉
Und hier noch ein bisschen was dazu was „onbu“ für Japaner bedeutet(e):
Kommentar zum Thema Cultural Appropriation beim Onbuhimo und meine Antwort:
CA ist ein extrem schwieriges Thema, das, wie du schon sagtest, vor allem in Amerika stattfindet, aber auch in England ganz gross ist und ja auch langsam in andere Laender Europas schwappt.
Man wird sich bei euch also frueher oder spaeter mehr mit dem Thema auseinandersetzen muessen.
Ich befasse mich (ungewollt) natuerlich vor allem mit CA die auf Japan bezogen ist und, natuerlich, von Amerika ausgeht.
Es ist so unfassbar schwer… Zum einen kann ich die Menschen japanischer Abstammung in Amerika verstehen. Aber leider hat diese Medaille auch eine andere Seite.. Hier prallen oftmals zwei Interessen aufeinander. Die derjenigen, die ihrer Kultur beraubt wurden (extrem fieses Thema: Japaner in Amerika waehrend des 2. Weltkrieges) und diese nun wieder vermehrt einfordern um sich ihrer Identitaet bewusst zu werden, und die derjenigen, die im Ursprungsland leben.
Nehmen wir mal die Kimonoindustrie als Beispiel. In Amerika geborene und aufgewachsene Menschen mit japanischen Wurzeln sehen es als Angriff auf ihre Kultur an wenn sich Weisse in Kimono kleiden lassen und zum Spass fotografieren. Sie brauchen diesen Kimono um sich selbst eine Idenditaet zu geben. Sie sind Japaner in Amerika. Der Kimono ist IHR kulturelles Erbe.
Der Kimono aber ist in Japan ein ganz normales Kleidungsstueck gewesen. Wie Jeans. Also Mode. Mit der Verwestlichung begann fuer die Kimonoindustrie ein duesteres Zeitalter.. Niemand traegt mehr einfach so auf der Strasse Kimono. (mit ein paar Ausnahmen). Die Kunst der Herstellung (und es ist wirklich eine Kunst) geraet langsam in Vergessenheit. Eine Freundin von mir hat einen Weber besucht, der der letzte ist der auf diese besondere eine Art weben kann. Wenn er stirbt, wird diese Art der Herstellung verloren gehen. Die Kimonobranche kaempft also nicht nur darum ihren Unterhalt bestreiten zu koennen, sondern auch das Wissen zu erhalten. Und das versuchen sie, indem sie Auslaender fuer Kimono begeistern wollen. Sie wollen, dass Auslaender die Kimono tragen. Ob nun als Tourist im Land an einem Tag mit Fotoshoot oder in ihrem eigenen Land.
Hier haben wir einen grossen Interessenskonflikt zwischen den Amerikanern japanischer Herkunft und den Japanern die in Japan leben und arbeiten.
Wem gibt man nun Recht? Wem gibt man nach?
Auf wen nimmt man Rücksicht?
Ich finde, in dem Buch Identitti gibt es eine ganz wundervolle Passage zu genau dem Thema.
Weisse sollten keine Sari tragen sagt die eine in Deutschland geborene Frau mit indischen Eltern. Der Vater sagt dazu nur: Aber warum? So verdient doch der Hersteller des Sari in Indien gutes Geld. Das ist doch gut!
Eine Antwort erhaelt man im Buch nicht.
Es ist also auch ein Generations“problem“.
Als Weisse in einem ganz anderen Land steht man halt nun leider irgendwo dazwischen und muss fuer sich selbst einen Kompromiss finden.
Natuerlich ist es im Falle des onbuhimo nicht genau wie in oben genannten Beispielen. Niemand will uns verbieten den onbuhimo zu benutzen. Aber wer weiss.. vielleicht kommt etwas in der Art ja auch noch auf uns zu..
Den Japanern in Japan ist aber vor allem wichtig, dass das Wissen um onbu und den onbuhimo weitergegeben wird damit es nicht verloren geht. Und momentan ist es ihnen ziemlich egal wer dieses Wissen bewahrt. Hauptsache es wird bewahrt.