Nachdem wir ja schon eine Ausstellung von Nō-Masken und Kleidungsstücken des Nō-Theaters besucht hatten, folgte nun ein Besuch des richtigen Nōs.
Bis jetzt hatte ich noch keine der traditionellen Aufführungen japanischer Kultur gesehen. Also kein , kein Kabuki und keine Geisha beziehungsweise Maiko.
Langsam aber stetig werde ich nun hoffentlich all diese Aufführungen nacheinander ansehen, wobei ein traditioneller Auftritt einer Geisha als Unterhaltungsdame in kleinen Gesellschaften wohl unmöglich sein wird.

Das Nō fand im 国立能楽堂 – Nationalen Nō-Theater in Tokyo, in der Nähe der Komuritsu-Kyōgijō Station statt.
Der Eingangsbereich erinnerte mich von der Atmosphäre her an den Happōen. Bei beiden hatte ich irgendwie Hemmungen durch das Tor zu treten, weil ich mich hoffnungslos fehl am Platze fühlte.
Man mag es mir verzeihen, aber an „feinen“ Orten fühle ich mich nicht sonderlich wohl. Ich bin halt doch in den letzten Jahren zu sehr zu einer typischen Arbeiterin geworden, die die meiste Zeit von Männern umgeben ist, die nur derbe Sprüche über die Lippen bekommen. Da ist es dann ein wenig seltsam sich zwischen vielen gut gekleideten Menschen und Kimono tragenden Damen wieder zu finden..
Erst als ich auch viele junge Frauen in meinem Alter entdeckte, die zwar ebenfalls hübsch gekleidet waren, aber nicht zu sehr, ging es mir besser.
Im Gegensatz zum Sumo fiel ich hier übrigens wirklich auf. Es gab nur noch ein ausländisches Ehepaar, sonst nur Japaner. Das Ehepaar schaffte die Vorstellung übrigens nur bis zur zweiten Pause, danach war ich alleine..
Vielleicht sollte ich auch erwähnen, dass wir von 15Uhr bis 19Uhr im Theater waren. Die Vorstellung dauerte 4 Stunden!
Aber nun ein wenig allgemein über Nō.
hannyaBekannt ist Nō im Ausland vor allem für die Masken und dort insbesondere für eine ganz bestimmte Dämonen-Maske. Und dafür, dass alle Rollen nur von Männern gespielt werden.
Nō kommt außerdem mit relativ wenigen Darstellern und Requisiten aus.
In den meisten Szenen, die ich am Sonntag gesehen habe, waren etwa 4 Darsteller auf der Bühne, von denen zwei normalerweise nur regungslos da saßen.
Es gibt einen Hauptdarsteller, den shite und einen Nebendarsteller den waki. Shite und waki haben noch Begleitdarsteller, die tsure.
Auf der Bühne befinden sich außerdem noch die Musiker (hayashi), der Chor (jiutai) und der kōken. Das ist der Bühnenmeister, der für einen reibungslosen Ablauf sorgt. Außerdem vertritt er im Notfall den shite, weshalb der kōken vom Rang her dem shite gleichgestellt oder sogar höher ist.
InstrumenteDas Musikerensemble besteht aus vier Personen. Als erstes betritt der Flötenspieler die Bühne, gefolgt von dem Spieler der Kotsuzumi, dann kommt der Ōtsuzumispieler und zum Schluß der Taikospieler. Bei manchen Stücken wird aber auch keine Taiko benötigt.
Der Chor besteht aus acht Männern. Sie sitzen in zwei Reihen zu jeweils vier Personen. Der Sänger, der in der hinteren Reihe in der Mitte sitzt, ist der Ranghöchste. Wobei ich mich gefragt habe, wo bei vier Personen die Mitte ist..
Der kōke sitzt hinter den Musikern, beziehungsweise hinter dem Taikotrommler.

Die Stücke des Nō-Theaters kann man in fünf Gruppen einteilen, je nachdem was für eine Rolle der shite spielt.
Gruppe 1 (wakinō mono): Der shite verkörpert einen Gott.
Gruppe 2 (shura mono): Der shite verkörpert einen Kriegsherren, dessen Geist in einer Welt des endlosen Krieges gefangen ist.
Gruppe 3 (kazura mono): Der shite verkörpert eine weibliche Person wie aus dem Genji Monogatari oder einen Pflanzen-Geist.
Gruppe 4 (zatsu nō): Der shite stellt eine verrückte alte Frau oder einen Chinesen dar. Die Stücke dieser Gruppe lassen sich in keine andere Gruppe einordnen.
Gruppe 5 (kiri nō): Der shite verkörpert einen Oni, einen Tengu oder eine Elfe.

Wir hatten Stücke aus Gruppe 1 (吉野天人 – Yoshinotennin), 4 (枕慈童 – Makurajidō) und 5 (飛雲 – Hiun).
Das habe ich allerdings nicht selbst herausfinden können, weil ich absolut nichts von den Stücken verstanden habe.
Oft kann man ja anhand von Gesten und Handlungen erkennen was der Inhalt eines Stücks ist, aber bei Nō sind die Gesten sehr begrenzt und oft stilisiert. Außerdem wird der Text in einem mehr oder weniger monotonen Singsang und oft als Monolog vorgetragen. Selbst wenn es einen Dialog gibt, so findet er aufgrund der wenigen Darsteller ja nur zwischen zwei Personen statt.
Bei einer Tradition von über 650 Jahren in denen Nō von Lehrer zu Schüler weitergegeben wurde, sind alle Stücke selbstverständlich auf Alt-Japanisch und daher selbst für Japaner nicht leicht oder gar nicht zu verstehen. Also hatte ich als Ausländerin da erst recht keine Chance.
Das Programmheft gab es auch nur auf Japanisch, also ließ ich mir später beim Abendessen erzählen worum es in den Stücken überhaupt ging.
Auch wenn ich nichts verstanden habe und mir zugegebenermaßen das ein oder andere Mal die Augen zugefallen sind, gab es einige Dinge, die mich sehr beeindruckt haben.
CostumeZum einen die Kostüme. Die fand ich schon in der Ausstellung sehr interessant und irgendwann möchte ich mich mehr damit befassen wie welche Pflanze auf der Kleidung dargestellt wird. Im Moment erkenne ich nur Fuji – Blauregen, Kiku – Chrysantheme, Momiji – Ahorn. Aber anhand der Blüten auf der Kleidung kann man zum Beispiel theoretisch ablesen in welcher Jahreszeit ein Stück spielt. Das finde ich sehr interessant! Wobei bei unseren Stücken auch die Requisiten geholfen haben.. Bei einem stand ein Kirschblütenzweig auf der Bühne, bei einem anderen war ein „Haus“ von Chrysanthemen umgeben.
Dann hat mich die Musik beeindruckt. Zumindest die fue – die Flöte. Das einzige Instrument im Nō, das eine Melodie spielt. Die Trommeln sind etwas gewöhnungsbedürftig, weil zum Trommelspielen auch noch Laute dazu gehören, die die Trommelspieler machen. Diese Kombination wirkt auf mich sehr einschläfernd.
Der Männerchor war auch beeindruckend. In jedem Stück waren die Stimmen absolut harmonisch. Aber, da waren D. und ich uns einig, am schönsten war er im letzten Stück! Das war auch das Stück, das ich am wenigsten verschlafen habe.. Hier gab es auch die Szene, die mich am meisten beeindruckt hat.
Für mich bestand das Stück nicht aus zwei Akten, sondern aus drei. Den ersten habe ich verschlafen, bei den anderen war ich wach. Im ersten Akt bestand die Handlung daraus, dass zwei Mönche miteinander sprachen und der 樵翁 – alte Holzfäller tauchte glaube ich auch schon auf. Im zweiten Akt nun, führte der alte MHolzfäller einen ewig langen Monolog während die beiden Mönche an der Seite saßen. Mit halb erhobenem, abgewinkeltem Arm, der einen Fächer hielt. Und genau das hat mich so fasziniert. Die beiden Darsteller saßen mindestens 10 Minuten so dort ohne sich zu bewegen oder die Arme auch nur ein wenig zu senken!
Mein Arm wäre schon nach 2 Minuten schwer wie Blei. Nach 5 Minuten würde er gnadenlos zittern..
Ich sollte es bei Gelegenheit mal testen..
Im dritten Akt nun zeigte der alte Holzfäller sein wahres Gesicht! Er war ein 鬼神 (Kishin) – ein grimmiger Gott und es entbrannte ein aufregender Kampf zwischen Kishin und Mönchen. Der Kampf war sehr bewegt und immer wenn man schon dachte, die Mönche hätten gesiegt, machte der Kishin doch wieder einen Vorstoß und zwang die Mönche zurück.
Hier gab es auch den faszinierenden Gesang des Chors!

Zweimal in den vier Stunden wurde das Nō durch Kyōgen aufgelockert. Einmal vor der ersten Pause und das zweite Mal nach der zweiten Pause.
Kyōgen und Nō sind aus den gleichen Wurzeln entstanden, haben sich aber zu unterschiedlichen Formen des Theaters entwickelt. Kyōgen ist eine humorvolle Theater-Form. So handelte das zweite Stück (棒縛 – Bōshibari) beispielsweise von zwei Dienern, die dem Alkohol sehr zugetan waren. Da sie immer den Sake des Herren tranken, wurden dem einen mit einer List die Arme ausgestreckt an einen Stock, der ihm über den Schultern lag, festgebunden. Dem anderen wurden die Hände auf den Rücken gebunden.
Wie die beiden es nun doch schafften an den Sake zu kommen, war sehr amüsant!
Das Kyōgen verwendet übrigens die gleichen Musikinstrumente wie das Nō und auch einen Chor kann es geben, muß aber nicht vorhanden sein.

Nach der zweiten Pause wurde die Dame im Kimono neben mir sehr unruhig, was mich leicht nervös machte. Es wirkte so, als könne sie es kaum erwarten bis das letzte Stück endlich vorbei wäre und sie gehen könnte. Deshalb war ich dann erleichtert als die Aufführungen tatsächlich vorbei waren. Außerdem freute ich mich schon auf das Essen.

Es gab 広島お好み焼き – Okonomiyaki im Hiroshima-Stil bei 赤鬼 (Akaoni) in Ikebukuro. Dazu gab es außerdem とん平焼き – Tonpeiyaki, von dem wir vorher nicht wussten was es sein sollte. Entpuppte sich dann aber als lecker. Speck und Ei und Frühlingszwiebeln mit Kohl. Natürlich mit viel Mayonnaise und der typischen süßen Okonomiyakisauce.


Irgendwie hatten wir danach noch Hunger und so machten wir uns auf die Suche nach einem zweiten Lokal. Im Endeffekt wurde es ein Familyrestaurant. Die sind wegen ihrer Drinkbar sehr praktisch. So zahlten wir nur 180¥ dazu und konnten uns holen was und soviel wir wollten.

Diese Kette wird mir lieb werden, wenn alle Filialen diese tollen Bilder haben..

Wer jetzt noch Lust hat sich näher mit den Stücken des Nōs zu befassen, empfehle ich diese Seite:
klick
Leider sind keine Übersetzungen der Stücke, die ich gesehen habe, vorhanden..

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