Kinderbett vs. unser „Familienbett“

Zwar hatte ich schon einmal kurz über unsere Schlafkultur berichtet, aber ich möchte das Thema Kinderbett noch einmal aufgreifen.

In Deutschland gibt es eine heiße Diskussion von Verfechtern des Familienbettes und den Befürwortern des Kinderbettes.

Aus der grundsätzlichen Diskussion über die Sicherheit halte ich mich heraus, aber ich möchte gerne über die gängige Praxis in Japan und unsere Situation zu Hause sprechen.

Schlafen auf Futons

In Japan wird, das weiß wohl jeder, traditionell auf dem Fußboden geschlafen. Die Matratzen, sogenannte Futons, werden morgens im Wandschrank verstaut und abends vor dem Schlafen wieder hervorgeholt.
Wer auf seiner Japanreise in einem traditionellen Hotel, dem Ryokan, übernachtet, der wird dies erleben.

Der Grund für das mühselige Herumgeräume liegt in Japans traditioneller Architektur. Alle Räume sind untereinander durch Schiebetüren verbunden. Im Sommer werden diese Türen geöffnet um einen kühlenden Luftstrom zu erzeugen.
Der Mangel an festen Wänden machte den Einsatz von Futon vorteilhaft.

Auch wenn sich die Architektur inzwischen geändert hat, so schlafen auch heute noch viele Menschen auf Futon. Entweder aus Tradition oder Platzgründen.
Meine Schwiegereltern haben sich erst im Alter Betten angeschafft, weil das morgendliche Aufstehen vom Boden zusehends schwieriger wurde.

Platzmangel ist vor allem in den Großstädten ein Thema. Die Wohnungen sind in Relation zu ihrer Größe recht teuer, ein eigenes Zimmer für jedes Kind ein absoluter Traum.

Eine typische Wohnung in Tokyo

Nehmen wir unsere Wohnung, beziehungsweise die Wohnung unter uns und ihre ehemaligen Bewohner als Beispiel.
Unsere Wohnung ist eine sogenannte 2LDK Wohnung, das bedeutet zwei Zimmer + Wohnzimmer + Esszimmer (nicht wirklich..) + Küche.
Die Zimmer sind etwa 12 qm groß und haben jeweils einen eingebauten Wandschrank, der Wandfläche wegnimmt, ebenso wie zwei große Fenster bzw. eine große Tür zum Balkon in dem einen Zimmer.
In dieser Wohnung wohnte bis vor einiger Zeit eine fünfköpfige Familie.

Bei uns ist ein Zimmer mit einem 140cm breiten Bett, einem Schreibtisch und einem Regal bereits voll. Ein Babybett passt da nirgends mehr rein.
Nun kann man überlegen, dass das andere Zimmer durchaus als Kinderzimmer für zwei Kinder ausreichend ist, wenn man an einer Seite ein Hochbett mit zwei Betten aufstellt. Sogar ein Schreibtisch und ein Regal würden noch hineinpassen.
Selbst ein Babybett wäre kein Problem.
Aber mal ganz ehrlich, welche Geschwister möchten ein Baby im Zimmer haben, das ständig aufwacht, eine Mutter oder Vater, der dann erst aus dem Nachbarzimmer herüber geschlurft kommt, das Baby holt um es zu füttern und es danach wieder ins Bett bringt?

Daher greift man in solch engen Wohnungen einfach auf die traditionellen Futons zurück.

Entweder schläft die ganze Familie in einem Zimmer, jeder auf seinem eigenen Futon, die nebeneinander ausgebreitet werden, oder die älteren Kinder schlafen zusammen in einem Zimmer und Eltern und Baby schlafen in einem anderen.

Familienbett vs. Kinderbett

Wirklich unterscheiden tut sich das auf dem Boden schlafen der Japaner also nicht vom Familienbett.
Die Vorstellung, dass der Nachwuchs ab Geburt ein eigens fancy Bett benötigt, ist relativ neu und geht auf den Einfluss des Westens zurück. Vorher hat das gemeinsame Schlafen nie jemand in Frage gestellt.

Auf ein Argument gegen das Familienbett möchte ich gerne doch zu sprechen kommen. Oftmals führen viele ins Feld, dass Sex dann ja unmöglich ist.
Ich denke, drei oder mehr Kinder in einer Familie sind ein deutliches Argument dafür, dass Sex wohl auch mit Familienbett, bzw. Futons, möglich ist!

Nun aber zu uns und warum es bei und kein Bett gibt.

Tatsächlich hatten wir zu Beginn, und zwischendurch auch einmal, ein Bett. Aber wir haben schnell gemerkt, dass das bei uns nicht gut funktioniert.

Die erste Woche zu Hause hat der Lütte noch sehr gut im Bett geschlafen. Dann fing es an, dass es sehr lange dauerte bis er einschlief oder, wenn er vorher auf meinem Arm einschlief, sofort wieder aufwachte sobald ich ihn hinlegte.
Das war auch tagsüber nicht anders und bald wurde klar, dass er Bauchschmerzen und einen starken Moro-Reflex hatte. Es fehlte nicht viel und er wäre ein echtes Schreikind gewesen.

Die einzige Möglichkeit ihn zum Schlafen zu bringen war, ihn auf die Seite zu legen.
Warum auch immer, in Seitenlage konnte er schlafen. Also legte ich jeden Abend meinen Futon aus und platzierte den Lütten neben mir. Ein Arm um ihn gelegt sicherte seine Lage, so dass er nicht umfiel.
Mütter haben einen erstaunlichen Sinn… Ich konnte tatsächlich schlafen während ich ihn die gesamte Nacht in Position hielt.

Später, als die Bauchschmerzen passé waren, versuchten wir es noch einmal mit dem Bett. Zu der Zeit stillte ich vor dem Einschlafen noch. Also wurde gestillt, er schlief ein, ich legte ihn ins Bett und… .. er wachte auf.
Egal wie oft ich es wiederholte, und was ich versuchte, der Lütte weigerte sich zu schlafen.

Allerdings konnte ich mich, wenn ich mich mit ihm auf den Futon gelegt hatte, irgendwann wegschleichen. Das war anfangs nämlich auch nicht möglich.

Chibi Mamo-chan ist ein unglaublich Nähebedürftiges Baby gewesen.

Warum wir (immer noch) kein Kinderbett haben

Inzwischen ist er größer, ich habe lange Abgestillt, aber dennoch will er mich immer noch bei sich haben bei Einschlafen. Und nicht etwa sitzend, nein, er möchte an mich gekuschelt einschlafen.
Da er sich nachts durchs gesamte Zimmer kugelt, fällt ein Jugendbett weg, denn da würde er raus fallen. In kleinere Betten passe ich nicht mit hinein. Mal davon abgesehen, dass ein Bett für seine Größe auch gar nicht mehr ins Zimmer passt.

Inzwischen hat es sich eingebürgert, dass der Lütte die halbe Nacht seinen und meinen Futon für sich hat. Irgendwann wacht er auf und ruft mich und ich krabbel aus meinem Einzelbett runter zu ihm auf den Futon, wo er an mich angekuschelt wieder einschläft.

Irgendwann, ich bin mir sicher, wird er durchschlafen und mich die ganze Nacht in meinem Bett schlafen lassen.

Natürlich, wenn ich es wirklich gewollt hätte, hätte ich ihn an irgendeinem Punkt sicher an ein Bett gewöhnen können. Aber ehrlich gesagt war es mir das nicht wert. Denn: die Gewöhnung wäre sicherlich mit viel Geschrei und häufigem nächtlichen Aufstehen und schlaflosen Nächten verbunden gewesen.

Ich arbeite seit dem 8. Lebensmonat des Lütten wieder Vollzeit und mir war Schlaf und eine Harmonie zwischen uns wichtiger als das Schlafen im eigenen Bett. Außerdem möchte ich ihm gerne das Gefühl geben, dass ich immer da bin wenn er meint, dass er mich braucht.
Wenn ich mal nicht springe, zum Beispiel weil ich koche, dann erkläre ich ihm, warum. Inzwischen versteht er es meist, wenn er auch nicht glücklich darüber ist.

Dies ist mein persönlicher Stil und meine persönliche Einstellung, die ich unabhängig von irgendwelchen Ratgebern, Webseiten, Blogs und Co. entwickelt habe, und ich fahre gut damit.

Ich denke, dass jeder auf seine persönlichen Bedürfnisse und die seines Kindes hören sollte und seinen eigenen Weg finden muss.
Das eine Erfolgsrezept gibt es sicherlich nicht.

14 thoughts on “Kinderbett vs. unser „Familienbett“

  1. Wir schlafen (ich und zwei meine Söhne) auf dem Futon zusammen in einem japanischen Zimmer zusammen
    🙂
    Leider ist das Zimmer klein, um vier Futons zu legen.
    Also schläft mein Mann seit letztem Jahr alleine in einem anderen Zimmer, nach wir unserem Kleinste größere Futon kauften.

    1. Hallo Rumiko!
      Dein armer Mann?
      Meiner möchte immer alleine schlafen, deshalb schlafen mein Sohn und ich zusammen. Ins Zimmer passt gerade so mein Futon und sein Kinderfuton. Ich glaube zwei Futons für Erwachsene passen gar nicht ?

      1. Dankeschön, dass du meine doppelte Kommentare gelöscht haben!
        Ich meine es praktisch, mit dem Baby zusammen zu schlafen.

        Meine sind schon sehr groß, 12 Jahre alt und 8Jahre alt. Zeit vergeht sehr schnell.
        Unsere Zimmer ist 6 Tatamis Zimmer,
        das ist nie mehr Platz für drei Erwachsene Futons und ein Kinderfuton. Also unser Jüngster benutzte bis sieben Jahre alt 120cm große Kindrtfuton 😉

        1. Gerne!
          Ja, genau! Es ist unglaublich praktisch mit dem Baby zusammen zu schlafen und ich möchte es eigentlich auch nie anders machen!
          Ich habe auch ein 6 Tatami-Zimmer, aber es steht noch ein Single Bett darin und viele Schränke. Deshalb passt bei mir nur ein Erwachsenenfuton und ein 120cm Kinderfuton hinein. Aber mein Sohn schläft lieber auf meinem Futon. ?

          1. Genau Babys schlafen lieber auf dem Futon der Mutter 🙂
            Jetzt sind die Kinder noch ähnlich, sie rufen mir zu ihrer Futons aus beiden Seiten. Sehr süß!

  2. Genehmen Sonntag, Anika.
    Wenn man/frau es genau betrachtet ist das Schlafen zu ebener Erde recht verbreitet auf der Welt. Das Bett (als eigenes Möbelstück) zuerst ein Luxusgegenstand. Wobei der sichere Schlafplatz im Baum (der frühen Vorfahren) manchen ja bereits als erstes Bett gilt. ?

    Stimmt, wenn die Lagerstätte für die Nacht erst „aufgebaut“ werden muss, erinnert einen das unbewußt an das Nomadenleben. So war es auch Bequemlichkeit, die den Menschen zur Seßhaftigkeit führte (neben anderem).
    Eigenständige Schlafzimmer kamen eigentlich mit dem Wohlstand auf, als Häuser auch dem gesellschaftlichen Prestige dienten. Die getrennten Schlafzimmer waren dann das Absolutum. Die bürgerliche Varianten davon wurden dann die getrennten Betten. Beide Ausprägungen gelten manchen als ein Symbol für die „Vernunftehe“ oder arangierte Heiraten (eine Nähe ist nicht gewollt).

    Kinderzimmer hin oder her – dass die Kleinen irgendwann mitten in der Nacht kommen, um bei den Eltern zu schlafen, bleibt normal. Von daher ändert sich auch der Sex ein wenig; die „sturmfreie Bude“ gibt es daher auch für die Eltern.
    Der Kinderschlaf ist schon ein Faszinosum…so wenn die Sprößlinge bereits morgens um 5 hellwach & voller Tatendrang sind, ewig nicht ans Einschlafen denken oder wenn sie nur in elterlicher Nähe schlafen (s.o.).

    Yep, es gehört wohl zu den wichtigen Einsichten im Leben, dass sich (ab einem bestimmten Alter) nicht mehr alles um einen selbst dreht. Selbstständigkeit wäre ohne diese Erkenntnis nicht möglich. Denke ich.

    Oh ja, die bunte Wiese der Erziehungsratgeber…allethalben wird hier ein neues Borstenvieh durch den Weiler getrieben. Die Gemeinsamkeit (außer dem „ultimaten Kindeswohl“) bleibt dabei das Verkünden jeweils „einziger Wahrheiten“.

    „Kinder sind die Samen, die uns die Zeit gibt. Wir können sie erblühen lassen – nie aber drillen oder zusehen wie sie andere schleifen.“
    (Florance Ippdit)

    bonté

    1. Hallo RoM,
      Ehrlich gesagt hilft mir der Gedanke an die sogenannten Naturvölker sehr meinen Standpunkt zu verteidigen. Auch wenn ich nicht über tiefes Wissen über die Lebensweise dieser Völker verfüge, so sind doch zwei Sachen eigentlich überall zu finden: Mütter schlafen neben ihren Babys, die Familie schläft zusammen in einem Raum und dass Frauen sich als Gruppe um die Kinder kümmern.
      Ich finde es furchtbar, dass viele Menschen Mütter schief ansehen, die gerne mal ein bisschen Zeit für sich ganz alleine hätten, ohne das Kind. Das ist meiner Meinung nach etwas ganz natürliches und war früher kein Problem. In der heutigen Gesellschaft, vor allem ohne Großeltern in der Nähe, kaum möglich. Gibt man sein Kind dann mal in die Stundenbetreuung und erzählt den falschen Leuten davon, regnet es gleich wieder einen Shitstorm.
      Ja, doch.. die Naturvölker wissen schon wie’s geht…

      1. …sich um sein kleines Kind zu kümmern ist ein 48 Stunden Tag; von daher ist jede Stunde, die Eltern einmal jeweils für sich einfügen können Balsam. Die Naserümpfer können entweder dabei nicht mitreden, oder sie halten eingebildete Perfektion für eine Zierde.
        Jemand sollte ihnen sagen, dass „perfekte Mütter/Väter“ eine schlichte Illusion sind. ?

        Ich heiße Robert übrigens – um der Höflichkeit Genüge zu tun. ?

        bonté

        1. Hallo Robert!
          Ich denke auch, dass alle, die sich ueber Eltern aufregen, die ihre Kinder mal vor dem Fernseher abladen, sehr ruhige Kinder haben, die sich gerne mit sich selbst beschaeftigen.
          Bisher wollte noch niemand freiwillig mein Kind hueten, ausser meine Eltern. Aber die sind auch ein wenig verrueckt.
          Ohne Fernseher oder iPad koennte ich schlicht nicht in Ruhe kochen. Sprich: ich haette eine Stunde lang ein sehr laut weinendes Kind bei mir. Etwas, das in Tokyo auf engem Raum, nicht ganz unproblematisch ist..
          Es kommt relativ haeufig vor, dass Eltern mit lauten Kindern die Polizei vor der Tuer haben. Sei es wegen Ruhestoerung oder weil die besorgten Nachbarn Kindesmisshandlung vermuten.
          Letzteres ist nicht unbedingt schlecht, doch werden in Japan vor allem Kinder durch ihre Eltern umgebracht, die den Behoerden bereits bekannt sind. Leider..

  3. Hätte ich ein Kind gehabt, was gern alleine schläft, hätte ich das durchaus nett gefunden. Aber bis auf die Tatsache, dass ich mich immer ins Bett tetrisen muss, wenn ich zwischendurch nochmal aufgestanden bin, finde ich unser gemeinsames Schlafen inzwischen echt schön 🙂 Definitiv besser als nachts immer wieder aufstehen und irgendwo hinlaufen zu müssen, wenn das Kind sich meldet.

    1. Das mit dem Tetris kommt mir bekannt vor ^_-
      Der Lütte ist derzeit krank und ich habe ihn gefragt ob ich gleich zu ihm auf den Futon kommen soll. Hätte ich ja gerne gemacht, wenn er nicht einmal schräg von meinem Kopfkissen aus über meinem Futon gelegen hätte…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert