Die Parkplatzfalle

Für alle schon länger in Japan Ansässigen wird dieser Eintrag sicher amüsant.
Alle anderen dürfen sich natürlich auch auf meine Kosten amüsieren, aber behaltet die Geschichte im Hinterkopf und lernt draus ^_-

Normalerweise nutze ich die Tobu Tojo Linie und fahre zur Asaka Station. Dort kenne ich einige Plätze, an denen ich mein Fahrrad gut parken kann ohne etwas zu bezahlen und ohne ein Schildchen zu bekommen.
Am Wochenende musste ich aber nun die Musashino Linie benutzen und somit nach Kita Asaka / Asakadai fahren. Dort ist die Fahrradparksituation einfach nur bescheiden.. Es gibt zwar viele Bezahlparkplätze, aber ich habe es natürlich am liebsten kostenlos.

Der böse Parkplatz
Der böse Parkplatz

Also stellte ich mein Fahrrad auf einen Platz, der mir recht vielversprechend aussah. Es gab keine Preisschilder und auch keinen Menschen, der kassierte.
Zwar gab es einige Schilder, aber nachdem ich die Kanjikolonnen auf Zahlen und Tage/Monate gescannt hatte und keine fand, beschloss ich, dass dieser Platz wohl sicher sei.
Ihr erinnert euch? Meine Kanjikenntnisse sind noch nicht sehr gut..
Und abends dann der Schock. Mein Fahrrad war weg!
Mein erster Gedanke: Es wurde gestohlen. Aber bitte.. Wer klaut ein olles altes Mamachari in nicht sonderlich gutem Zustand, dessen einziges tolles Feature darin besteht, dass ich einen Regenschirm an die Seite geklemmt habe?
Also bin ich den ganzen großen Platz abgelaufen und habe es gesucht.
Und ich habe es auch gefunden..
Neben einem Winzcontainer in der äußersten Ecke des Geländes, angekettet an ein anderes Fahrrad..
Dort fand sich auch, auf der Innenseite eines 1m breiten Ganges auf Bodenhöhe ein Schild mit einer Preisliste.
Ja super! Total sichtbar und verständlich für mich armen Ausländer.. Wieder ein Grund sich mehr ins Kanji-Studium zu hängen. Gelobt sei der große Krabinator!
Öffnungszeiten suchte ich dann wieder vergebens. Lediglich eine Telefonnummer war angegeben, aber Entschuldigung, telefonieren traue ich mir immer noch nicht zu. Vor allem, weil ich sowieso eine Abneigung dagegen habe.
Also bin ich zum benachbarten Bezahlparkplatz gegangen, um die dort arbeitenden Herren zu fragen ob sie wüssten, wann ihre Nachbarn denn da wären.
Diese verfielen erstmal in Panik. Keine Ahnung wieso, da der eine sogar ein sehr passables Englisch sprach. Was mich allerdings nicht dazu verleitete ebenfalls Englisch zu sprechen. Demnächst werde ich anfangen jedem, der mit mir Englisch spricht unter die Nase zu reiben, dass Englisch nicht meine Muttersprache ist. Sie dürfen gerne Englisch sprechen, aber bitte nicht erwarten, dass ich das erwidere.
Panik hatten sie aber vor allem, weil sie einfach mal davon ausgingen, dass ich hoffte, sie könnten mir mein Fahrrad aufschließen.
Deshalb verlief unser Gespräch zu Beginn ungefähr so: „Der Platz dort drüben gehört nicht zu uns, wir können ihnen das Fahrrad nicht geben.“
„Ja, ich weiß. Aber wissen sie wann jemand dort ist?“
„Wir können ihnen nicht helfen. Der Platz gehört einem anderen Unternehmen.“
„Ich weiß, aber wissen sie vielleicht von wieviel Uhr bis wieviel Uhr jemand dort ist?“
Irgendwann erbarmte er sich meiner und erzählte mir, ab ca. 8h morgens wäre wohl jemand da, aber nur vormittags.
Ich bedankte mich bei ihm, er machte nochmal Werbung für seinen tollen Fahrradparkplatz und dass ich nächstes Mal gleich zu ihnen kommen solle. Ich versprach es ihm, jammerte noch ein bisschen, weil die Abholung des Rades aufgrund dieser Informationen zum Problem werden würde und verabschiedete mich dann um zu Fuß nach Hause zu laufen..
Der nette ältere Herr ist übrigens ein シルバー Shiruba oder Silver.
So werden die sich meist im Rentenalter befindlichen Menschen genannt, die sich bei gemeinnütziger Arbeit ein kleines Taschengeld zu ihrer Rente dazu verdienen. Fahrradparkplatz und gemeinnützige Arbeit? Ja, der Parkplatz wird von der Stadt betrieben, hat 24h geöffnet, ist gut bewacht und kostet nur 100¥ pro Tag. Das ist günstig.
Auf dem Nachhauseweg hatte ich genug Zeit mich zu ärgern. Zum Teil über mich selbst, weil ich so naiv war zu glauben, so ein Traumparkplatz sei kostenlos. Zum anderen über die fiesen Fahrrad-Wegschließer und die extrem schlechte Beschilderung durch JR. Und die unglaublich bescheidenen Öffnungszeiten.. Schließlich gehöre ich zur arbeitenden Bevölkerung und musste auch diesen Sonntag arbeiten.
Also würde ich meinen Kollegen bitten müssen mich in der 10h Pause zum Bahnhof zu fahren. 15 Minuten würden knapp werden um zu Fuß zu laufen.
Sie hatten dann auch die grandiose Idee, ich solle auf Deutsch mit den Angestellten sprechen. Dann würden sie mich schnell loswerden wollen und ich müsste nichts bezahlen. Den Vorschlag fand ich sehr gut, vor allem weil ich bei Martine gelesen hatte, dass es bei einem ähnlichen Problem gut funktioniert hatte.
Und für den Fall, dass wieder niemand da sein sollte, hatte ich meinen Kollegen in der Hinterhand um bei der angegebenen Telefonnummer nachzufragen.
Und genau so kam es.. Vor der Arbeit am Sonntag berichtete ich einem Kollegen von meinem Problem und fragte, ob er mich zum Bahnhof fahren könne. Um 10h fuhren wir hin und fanden natürlich niemanden vor. Erst jetzt verstand er übrigens gänzlich mein Problem.. Meine Idee das Schloss mit dem Bolzenschneider durchzuscheiden fand jedoch keine Zustimmung.
Unter der angegebenen Telefonnummer meldete sich auch niemand.
Daraus schlossen wir, dass Samstag und Sonntag wohl nicht gearbeitet wurde.
Äußerst ungünstig, denn ich hätte das Rad gern an diesem Abend gehabt um zum Bahnhof zu fahren. So musste ich auf das Firmenfahrrad ausweichen, das eindeutig nicht auf „größere“ Menschen mit langen Beinen ausgelegt ist. Dafür hat es 5 Gänge!! Ein Traum! Ich fühlte mich also zumindest teilweise im 7. Himmel wenn ich die Schmerzen in Beinen und Po ausblendete. Ohne Probleme einen Berg hoch fahren.. Ich muss unbedingt bei meiner Fluggesellschaft nachfragen wie teuer der Transport eines Fahrrades ist. Ich möchte unbedingt mein Fahrrad aus Deutschland haben. Das hat dann auch wirklich mal die richtige Größe!
Aber zurück zum Parkplatz..
Jetzt jammerte ich mich ein wenig bei meinen Kollegen aus, weil am Montag ja auch Arbeit ist und ich dann schon wieder in der Pause dorthin fahren müsste. Mein Kollege meinte, ich solle einfach dem Chef bescheid sagen, es würde schon alles gut.
Als der Chef dann kam und ich die Frage meines Kollegen, ob ich ihn schon gefragt hätte, verneinte, nahm er es gleich selbst in die Hand dem Chef von meinem Malheur zu erzählen. Leider vergaß er zu erwähnen, dass beim Parkplatz wohl nur Vormittags jemand anwesend ist. Also der Grund, weshalb ich unbedingt während der Arbeit dorthin müsste..
Mein Plan für den nächsten Tag war nun mit dem Keitora gleich morgens um 8 Uhr zum Parkplatz zu fahren, während meine Kollegen das Müllauto leeren. Danach wollte ich dann einfach mit Auto und Fahrrad zum Arbeitsplatz fahren. Der Plan fand Zustimmung unter den Kollegen.
Leider haben wir die Rechnung ohne meinen Chef gemacht..
Der verpflichtete dann nämlich den Vorarbeiter mit mir zu fahren und weil es eine Anordnung vom Chef war, ließ er auch nicht mit sich diskutieren.
Damit geriet auch mein Plan Deutsch zu sprechen in Gefahr.
Außerdem sollte ich mit seinem Auto mitfahren, dann mit dem Fahrrad zur Firma und von dort mit dem Vorarbeiter zum Arbeitsplatz. Das sollte sich noch als schlechter Plan erweisen.
Ich guidete also meinen Vorarbeiter zum Fahrradparkplatz.
Dort angekommen schmiss er mich aus dem Auto und fuhr langsam davon.
Ich war mir nicht sicher, was das jetzt bedeuten sollte, hatte er mich nur abgesetzt und fuhr jetzt schon zurück zur Firma?
Naja, das war auf jeden Fall meine Chance!
Ich ging hinüber zum Container der Angestellten, es war tatsächlich jemand da, und fragte in meinem höflichsten Deutsch, ob ich mein Fahrrad zurückbekommen könnte. Dabei deutete ich auf mein Fahrrad.
Er kam schlüsselklimpernd aus seiner Hütte und antwortete auf Japanisch: „Dieses Fahrrad hier?“
Ich auf Deutsch: „Genau. Dieses Fahrrad ist mein Fahrrad. Ich würde es gerne abholen.“
Er auf Japanisch: „Ok, wenn das ihr Fahrrad ist, dann schließe ich es auf.“ Das tat er auch, ich bedankte mich höflich auf Deutsch und spazierte mit meinem Fahrrad davon. Das war eindeutig die netteste Deutsch-Japanische Unterhaltung, die ich je hatte. Man hätte wirklich denken können, jeder konnte die Sprache des anderen verstehen.
Leider kam kurz bevor ich gänzlich verschwinden konnte mein Vorarbeiter, er hatte nur das Auto geparkt.. Er rief dem Angestellten aus einer unglaublichen Entfernung schon eine Entschuldigung entgegen, kam auf mich zu und fragte mich natürlich auf Japanisch ob alles in Ordnung sei. Und ich doofe Nuss antwortete auf Japanisch, dass mein Fahrrad jetzt einen Platten hat.
Damit ist meine Tarnung als dumme Ausländerin leider aufgeflogen..
Am Anfang hatte ich noch ein schlechtes Gewissen, aber nachdem ich noch einigen Ärger mit meinem platten Reifen hatte, verflog das.
Ich meine.. Man stellt sein Fahrrad auf so einen Platz, bezahlt ja in der Regel dafür, denkt er sei sicher und dann hat man einen Platten.. Da könnte ja auch genauso gut wirklich einer kommen und das Fahrrad klauen.
Auf jeden Fall musste ich jetzt das Fahrrad zur Firma zurück schieben. Gute 15 Minuten, weil es nicht in das Auto vom Vorarbeiter passte. Mein Keitora-Plan wäre also durchaus von Vorteil gewesen.
Nach der Arbeit versuchte mein Kollege meine Reifen mit Druckluft aufzupumpen. Das macht er oft. Beim Vorderrad gelang es ihm auch ohne Probleme. Das Hinterrad zickte. Er bekam ein wenig Luft rein und sagte mir wie immer, wenn am nächsten Tag nichts mehr drin sei, hätte ich ein Loch.

Mittwochs-Parkplatz + mein Fahrrad
Mittwochs-Parkplatz +
mein Fahrrad

Am nächsten Tag war der Reifen tatsächlich wieder total platt und so ging es nach der Arbeit zum Fahrradladen um ihn reparieren zu lassen. Das Ergebnis, wie die letzten 2 Male auch, kein Loch. Aber er wechselt immer die Dichtung des Ventils. Pauschalpreis pro Untersuchung: 500¥.. Zum Glück bin ich beim Fahrradparkplatz kostenlos davon gekommen..
Am Mittwoch, als ich wieder die Musashino-Linie nehmen musste, bin ich dann gleich zum Parkplatz der Silver gegangen. Wie versprochen!

6 thoughts on “Die Parkplatzfalle

  1. Geh mal zu einem der kleinen privaten Fahrradläden, die machen diese Untersuchungen und Ventilauswechslungen immer umsonst. Sowohl in Hiratsuka als auch hier in Koganei musste ich dafür noch nie für ein neues Ventil bezahlen, die haben immer abgewunken. Deswegen bin ich dann auch immer brav dahin, wenn ich wirklich einen Platten hatte – es lohnt sich also auch für sie. ^^

    1. Eigentlich sieht der Fahrradladen recht privat aus..
      Es ist ein Ein-Mann-Betrieb.
      Und soo viel habe ich gar nicht dagegen, ihm Geld für’s Nachgucken zu geben, weil es ist ja sein Zeitaufwand und er prüft ja tatsächlich ganz genau ob ein Loch im Reifen ist. Mit Wasserbad und allem..
      Und er ist am nächsten an meiner Wohnung und trotzdem schon 15min Fußweg von mir entfernt >.>
      Aber wenn ich umziehe, werde ich es mir merken und nach kleinen Läden Ausschau halten. Danke ^_-

  2. Fahrräder in europäischen Größen und verträglichem Design gibt es hier: http://www.and-style.com/

    Mir wollten die „normalen“ Händler immer einen Gaijinzuschlag abknöpfen, wenn ich nach einem größeren Rahmen gefragt habe. Kostete dann gleich mal mindestens das Doppelte. Habe dann von einem J-Freund den Tip mit and design bekommen und hab mir dort schon das 2. Fahrrad mit 28er Rädern, hohem Rahmen und guter Schaltung gekauft. Beide je so um die 2.5 man rum und in Superqualität.

    1. Cool! Da gibt es sogar einen Shop in Wako!
      Ich möchte erstmal gucken, ob ich mein deutsches Fahrrad günstiger aus D holen kann. Eigentlich hab ich kein Geld für so einen Luxus. Ich habe hier ja ein Fahrrad.. Also nehme ich die günstigste Variante.
      Aber danke für den Link!
      Falls es mit dem deutschen Rad nichts wird, werde ich sicher auf den Shop zurück kommen 🙂

      1. Hm, wenn du es dir selbst abholst, kannst du mein altes 28er haben. Geschenkt. Steht allerdings schon 2 Jahre draussen und ist dementsprechend dreckig und evtl. nicht sofort fahrbereit. Als ich beim letzen Mal nachgeschaut habe, konnte ich keinen Rost sehen. Ist ein Herrenrad, aber mit toller Schaltung und sehr leicht (Chrom-Moly).

        1. Echt???
          Also… Ich werde in Deutschland mal bei der Lufthansa anrufen. Wenn die mein Fahrrad für 75€ transportieren, dann werde ich es mitnehmen.
          Ansonsten komme ich super gerne auf dein Angebot zurück. Das hört sich klasse an und Herrenrad stört mich nicht die Bohne. Bin lange Zeit auf dem alten Mountainbike meines Vaters gefahren. Kein Problem mit Stange, wenn du das meinst ^_-
          Hast du in der Nähe einen Fahrradladen? Müsste dann nämlich mit dem Fahrrad nach Asaka zurück fahren.. Keine Lust auf den Stress mit der Bahnverpackung >.>

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