Abenteuer Arztbesuch

Ich hatte gehofft, dass mir diese Erfahrung sehr lange verwehrt bliebe..
Tja, da wurde nichts draus..

Am Mittwoch, kurz vor der Mittagspause, schoß es mir in den Rücken.
Es war kein schlimmer Hexenschuß, aber trotzdem ging das Arbeiten danach nicht sonderlich gut.
Wir befreiten eine große Fläche von Ästen, mussten schwere Baumstämme schleppen und nun ja, man kann sich vorstellen, dass das auch mit einem leichten Hexenschuss kein Vergnügen ist..

Den nächsten Tag sollte ich eigentlich an einem anderen Ort Unkraut ziehen. Leider landete ich doch wieder am selben Arbeitsplatz, stand aber die meiste Zeit auf der Leiter und pulte falschen Wein von den Wänden.
Weil ich aber auch den nächsten Tag wieder dort sein würde und das Fällen von Bäumen anstand, fragte ich meine Kollegen doch lieber, ob sie einen Arzt (整形外科) in meiner Stadt kannten.
Sie nannten mir einen Ort und mein Kollege rief sogar gleich an, ob ich heute noch vorbei kommen könnte.
Kein Problem, sie hätten fast jeden Tag bis 8 Uhr geöffnet.
So ging ich dann voller Hoffnung nach der Arbeit dorthin. Ich hoffte, dass ich eingerenkt würde, dann noch ein paar Tage Schmerzen gehabt hätte und gut wär’s gewesen.
War es aber nicht..
Es war keine Arztpraxis, wie ich dann merkte, sondern nur so etwas wie ein Chiropraktiker. Wobei ich mir nicht mal da so sicher bin..
Ich wurde abgetastet, es wurden einige Vermutungen angestellt und dann wurde mein Arm (mit dem ich schon etwa einen Monat leichte Probleme hatte, seit ich ein ca. 60kg schweres Wasserbecken mit einem Kollegen auf ein Auto gehoben hatte) und mein Rücken unter Strom gesetzt.
Danach gab es keine richtige Massage, sondern Beides wurde abgerubbelt und gekühlt. Wo man doch in Deutschland eher Wärme benutzen würde..
Zum Abschluss wurde mir ein feuchtes, kühles Pflaster auf Arm und Rücken geklebt und ich mit dem Hinweis entlassen, nicht zu warm zu duschen. Das Bad sollte ich meiden.
Dieser Spaß kostete mich ohne japanische Krankenversicherung etwa 3000¥.

Am nächsten Tag ging es meinem Rücken dann leider sehr schlecht. Und weil der Chef mit uns zusammen arbeitete, wurde ihm mein Problem von den Kollegen erstmal brühwarm erzählt.
Mein Plan für den Tag war eigentlich, Augen zu und durch und dann nach der Arbeit einen Arzt (整形外科 – Seikeigeka) besuchen, den ich Tags zuvor im Internet rausgesucht hatte. Sollten die Schmerzen zu schlimm werden, wollte ich sogar früher mit der Arbeit aufhören um dorthin zu gehen.
Daraus wurde jetzt nichts. Nach dem Fällen der drei Bäume, also zum Mittag, fuhr ich zur Firma zurück, versuchte zu duschen, aber das Wasser war abgestellt, und mein Gastvater und Chef fuhr mich zu einem „Arzt“, der sehr gut sein sollte. Ich saß im Auto und wartete, während mein Gastvater die Praxis suchte.
Leider brauchte man für den „Arzt“ einen Termin. Mein Gastvater besorgte mir einfach mal einen für Sonntag ohne mich zu fragen. Deshalb musste er noch einmal zurück, denn den Termin, den ich Sonntags bereits hatte, wollte ich auf keinen Fall aufgeben.
So kam er mit einem Termin am Dienstag für 4 Uhr wieder.
Weil es aber kein Arzt, sondern nur eine orientalische Massagepraxis ist, fragte ich meinen Gastvater noch einmal nach einem 整形外科.
Er klang nicht sehr begeistert.
Vorher hatte er den Masseur gepriesen, weil man keine Spritze und keine Medizin bekommen würde.
Die Familie mag wohl alternative Heilmethoden.
Außerdem sei ein Arzt sehr teuer ohne Versicherung, meinte er.
Ich erklärte noch einmal, dass ich einen Großteil des Geldes von meiner deutschen Versicherung ja zurück bekommen würde und widerwillig fuhr er mich zum erstbesten Krankenhaus, das er fand. Davon war ich nicht sonderlich begeistert, ich wollte eigentlich zu dem Arzt in der Nähe..
Er schmiss mich aber quasi aus dem Auto, fragte noch kurz, ob ich den Weg zurück kennen würde, und verschwand.
Und so verbrachte ich einige Stunden in einem japanischen Klein-Krankenhaus.
Diese Krankenhäuser sind, glaube ich, zum Großteil Privatkrankenhäuser und nie sonderlich groß.
Ich hatte absolut keine Ahnung was mich erwarten würde, aber ich mag ja Abenteuer.
Was ich nicht mag sind Arztbesuche..
Ich ging zur Anmeldung, erklärte mein Problem und fragte vorher, wieviel mich der Spaß in etwa kosten würde. Zwischen 5000¥ und 10000¥ lautete die Antwort.
Ich bekam einen Zettel in die Hand und mir wurde gesagt, ich sei die blaue 5. Die nette Frau von der Rezeption begleitete mich noch zu meiner Abteilung, zeigte mir in welchen Schlitz ich meine tolle neue „Mitgliedskarte“ werfen müsse und sagte mir, von jetzt an müsste ich etwa eine halbe Stunde warten.
Es wurden etwas über 2 Stunden.
Also, immerhin ist das schon mal genau wie in Deutschland. Ich dachte schon, ich sei vergessen worden.
Dann verschwand auch noch plötzlich die blaue 5 von der Anzeigentafel.
Ich war schockiert. Was war jetzt los?
Aber kurz darauf wurde ich aufgerufen. Dieses Mal auch endlich mit meinem Nachnamen. Ich habe oft das Problem, dass sich die Japaner aus meinem Namen den einfacheren Teil heraus suchen, was dann darin resultiert, dass ich mit meinem Vornamen angesprochen werde.
Das Untersuchungszimmer war sehr amüsant. Es war zum Vorraum mit einem Vorhang abgetrennt. Dahinter befand sich an der rechten Wand eine kleine Liege und an der Linken ein Schreibtisch, auf dem ein Computer stand und der Rest des Platzes von Büchern und Papierstapeln eingenommen wurde. Davor saß ein junger Arzt, der sich dann sehr viel Mühe gab mich zu verstehen und von mir verstanden zu werden. Irgendwann kam von hinten (das Zimmer war nach hinten offen und es führte dort ein Gang entlang) eine Krankenschwester und reichte dem Arzt eine Mappe mit typischen Fragen und Krankheiten, die ins Deutsche übersetztwaren . Viel half mir das nicht, das Deutsch war grauenhaft. Ich erriet die Bedeutungen mehr als dass ich sie verstand und schielte oft zum Japanischen Satz. Hier machten mir nur wieder die Kanji zu schaffen..
Trotzdem schaffte ich es das meiste von dem zu verstehen, was der Arzt mir erzählen wollte.
Betreffend meines Armes war er sich nicht sicher, ob es nur ein Muskelschmerz oder ein eingeklemmter Nerv ist, bzw. ein Nerv, der bei bestimmten Bewegungen eingeklemmt wird.
Was meinen Rücken angeht..
Vielleicht ein Bandscheibenvorfall, vielleicht nicht. Vielleicht wurde meine Wirbelsäule auch nur durch das schwere Heben überanstrengt. Um das herauszufinden, müsste er noch weitere Untersuchungen machen, die aber sehr teuer würden.
Also beschloss er, mir Medikamente aufzuschreiben und mich nach Hause zu schicken.
Er meinte, in zwei Wochen müsste es sehr viel besser geworden sein, wenn nicht sollte ich wieder kommen. Gleiches galt, sollten die Schmerzen viel schlimmer werden.
Die nette Dame aus dem Vorzimmer erklärte mir dann noch den Bezahlvorgang. Der wurde sehr schnell und ohne auf mein erstes Mal im Krankenhaus und meine laienhaften Japanischkenntnisse Rücksicht zu nehmen, abgewickelt.
Die „Untersuchung“ kostete knapp über 5000¥.
Dann ging es in die Apotheke. Die Krankenhäuser haben, glaube ich, feste Partnerapotheken. Diese lag direkt neben dem Krankenhaus.
IMG_7404Hier hieß es wieder: an der Information vorstellig werden. Ich hatte noch kein Medikamenten-Tagebuch, also bekam ich eins. (Das gleicht im Prinzip dem deutschen Impfpass, nur für Medikamente. Man kann auch zu anderen Ärzten gehen und das Buch vorlegen, wenn man nach Medikamenten gefragt wird, die man nimmt.)
Ich bekam eine Nummer und durfte mich setzen und warten.
IMG_7405Dann bekam ich meine Medikamente an einem speziellen Schalter. Alles sehr ordentlich eingetütet mit mit einer exakten Beschreibung was ich wann zu nehmen hätte. Ich bekam ein Mittel gegen Schmerzen, ein Mittel für den Magen, weil das Schmerzmittel oft Übelkeit? verursacht und ein Mittel, von dem ich erstmal nicht wusste wofür es sei. Später stellte sich heraus, dass es ein Mittel zur Muskelentspannung ist. Dazu dann noch feuchte Umschläge.
Dieser Spaß kostete mich über 6000¥!
Bis auf den Muskelentspanner und vielleicht die feuchten Umschläge, hätte ich eigentlich drauf verzichten können, ich wette meine rezeptfreien Schmerzmittel aus der deutschen Apotheke sind um einiges stärker.. Was Schmerzmittel angeht, habe ich die Erfahrung gemacht, dass nur ein einziger Wirkstoff in einer etwas höheren Dosierung richtig gut hilft..
Danach ging es nochmal zur Strom-Massage, dieses Mal für nicht ganz 2000¥.
Als ich nach Hause kam, schlug mein Gastvater außerdem vor, am nächsten Tag nach Yokohama zu einem Arzt zu fahren, den die Familie sehr schätzt. Der Sohn hatte auch Probleme und wollte sich behandeln lassen.
Unsere Rücken wurden nun also Anlass für einen Familienausflug.
Denn der Arzt befand sich nicht in Yokohama, Tagesplanung ade, sondern in Shibusawa, mitten auf dem Land.
Es wurde ein richtiger Tagesausflug!
Dafür war die Behandlung aber auch opulent.
Ich durfte mich zuerst auf eine Liege legen und entspannen. Ich weiß nicht wie lange es dauerte, aber sicherlich um die 20 Minuten.
Danach wurde ich auf ein Luft-Massage-Gerät verfrachtet, dass sich in einer Wellenbewegung aufbläst und so den Rücken massiert. Das dauerte nochmal etwa so lange.
Nun hat sich der Sensei meiner angenommen und mich massiert.
Sehr faszinierend war, dass er auf meinem Rücken präzise die Stellen fand, die weh taten wenn man darauf drückte. Dann massierte er bestimmte Bereiche und danach taten diese Stellen nicht mehr weh.
Die Massage dauerte sehr lange und war sehr ausführlich.
Als die Massage beendet war, wurde gebeten, mich noch einmal auf den Bauch zu legen.
Ich war etwas verwirrt, was kam denn nun?
Nun kamen die Nadeln.. Mein Rücken und mein Arm bekamen noch eine Akupunkturbehandlung. Jedoch wurden die Nadeln nicht lange im Rücken und Arm gelassen, wie ich es kannte, sondern sie wurden gleich wieder herausgezogen. Danach wurde auf den Einstichen noch irgendeine Substanz abgebrannt. Wofür das gut war, weiß ich nicht.
Der Sensei meinte, ich würde vielleicht noch zwei bis drei Tage Probleme haben, danach müsste alles wieder in Ordnung sein.
Ich bin gespannt..

Die Rechnung wollte mein Gastvater übernehmen, aber ich weigerte mich. Ich bezahlte die Rechnung von etwas über 5000¥, aber mein Gastvater schob mir doch noch 2500¥ zu. Na gut, dann sage ich nicht nein.

Das Ende vom Lied: ein gesalzener Einschnitt in mein Budget.
Ich bin gespannt wieviel ich aus Deutschland zurückbekomme!
Und hoffentlich, bitte bitte, werde ich das nächste Mal erst krank, wenn ich eine japanische Versicherung habe!

Ps. Nach der gestrigen schlechten Laune meines Gastvaters, scheint er mir meinen kaputten Rücken nun verziehen zu haben. Er konnte heute Abend wieder lachen und wünschte mir fröhlich eine gute Nacht.

8 thoughts on “Abenteuer Arztbesuch

  1. Das mit den Nachnamen kenne ich. Da war ich dann immer クラウディア様 (bin ich jetzt auch manchmal, wer weiß warum).
    Die Krankenhäuser haben keine festen Partnerapotheken, aber manchmal bieten sie an, bei einer in der Gegend für dich anzurufen, damit dort die Medikamente schonmal rausgesucht werden können und du weniger Wartezeit hast. 🙂
    Ich hoffe es geht dir bald besser, ich steh eigentlich auch eher auf „richtige“ Ärzte als auf alternative Methoden, aber der Arzt auf dem Land scheint dir ja ganz gutgetan zu haben. 🙂

    1. Ah, danke schön! Ich wurde speziell zu dieser Apotheke geschickt, die ja auch direkt neben dem Krankenhaus liegt. Und von anderen Krankenhäusern kenne ich es auch, dass oft eine Apotheke direkt daneben ist. Daher dachte ich, es gäbe eventuell eine Partnerschaft.

      Als ich in Deutschland mal große Probleme mit meinem Rücken hatte, konnten mir die Ärzte kaum helfen. Ich wurde oft eingerenkt, aber lange gehalten hat es nicht.
      Was mir da geholfen hat, waren regelmäßige medizinische Massagen. Deshalb stehe ich zumindest Massagen sehr positiv gegenüber.
      Jetzt bin ich mal gespannt ob mein Rücken wirklich nächste Woche wieder in Ordnung ist.
      Auf jeden Fall habe ich mir auf der Rückfahrt im Auto meinen Hals verrenkt und könnte eigentlich gleich die nächste Massage gebrauchen -.-
      Diese Woche ist absolut nicht meine!
      Jetzt möchte ich doch lieber heute als morgen nach Deutschland fliegen und Japan mal Japan sein lassen.. *seufz*

  2. Du Arme ich hoffe dir geht es bald wieder besser. Mir blieb ein Krankenaufenthalt ja auch nicht erspart. Die „Apotheke“ befand sich auch gleich neben dem Krankenhaus. Und da ich auch keine Krankenversicherung fürs Ausland gemacht habe war es ganz schön teuer… Wird man in Japan nicht über seinen Arbeitgeber dann versichert oder wie läuft das ab? Also Gute Besserung Anika!

    1. Danke schön 🙂
      Nach dem Besuch beim Wunderheiler geht es mir schon wieder sehr gut. Der Rücken tut nur noch ganz leicht weh 🙂 Ich hatte ehrlich gesagt nicht an die Behandlung geglaubt, weil mein Rücken danach noch genauso weh tat!
      Schade, dass der Arzt so weit weg ist 🙁

      Ich bin nicht über meinen Arbeitgeber versichert, weil ich nur Working Holiday mache. Ich musste extra eine Auslandsvericherung für das Jahr abschließen, sonst hätte ich das Visum nicht bekommen.

  3. Zum Arzt gehe ich hier in Japan sehr ungern. Ich hatte schon so einige merkwürdige „Begegnungen der 3. Art“. Kleinkram wie grippale Infekte, Schnittwunden und so Zeugs verarzte ich selbst. Bei Rückenschmerzen gehe ich direkt in ein Massagestudio und nicht erst zum Arzt. Ist billiger und meistens wissen die Masseure schon wo es ziept. Gut, mit 2 gebrochenen Rippen musste ich dann schon zum Arzt und der war auch relativ gut. Aber als wegen einer Infektion noch mal dort hin wollte, war die Praxis dicht und der Arzt wegen „Unregelmäßigkeiten“ bei der Abrechnung und wohl auch wegen der Fälschung seines Diploms im Gefängnis. Na toll!
    Schmerzmittel muss ich als ausgewachsener Europäer in der doppelten bis 3-fachen Dosis nehmen um überhaupt einen Effekt zu merken.

    Ist schon eigenartig, das die Japaner im Schnitt am ältesten werden, wo ihre Ärzte und Krankenhäuser so grottig schlecht sind. Vielleicht weil sie gar nicht erst hin gehen???

    1. Ehrlich gesagt..
      Ich bin auch nur auf großes Drängen hin zum Arzt gegangen..
      Das mit den Schmerzmitteln hatte ich auch schon gehört und wenn ich gewusst hätte, dass die so teuer sind..
      Naja, man lernt halt immer dazu..
      Ich werde von jetzt an auch immer selbst entscheiden wann ich zum Arzt gehe und wann nicht.
      Meinen Arm konnte ja auch leider niemand reparieren, muß die Zeit heilen, ich hab keine Lust mehr auf Ärzte und Co.

  4. Ja also die „Medis“ vom Drugstore haben bei mir auch nicht geholfen. Ich glaube wir sind wirklich andere…kann man das so sagen, härtere Medikamente gewohnt. 😛 Hab mir auch gleich paar Dolomin Extra vorsichtshalber auf Vorrat gekauft und mitgenommen.

    1. Schmerzmittel aus Deutschland halte ich wirklich immer auf Vorrat. Aber zum Glück brauche ich hier deutlich weniger als in der Heimat..
      Ich glaube, bei der nächsten Erkältung werde ich die Dosis der Drugstore Mittelchen auch eigenständig erhöhen.. Da gibt es übrigens auch unterschiedliche Stärken! Hatte nicht die Stärksten genommen, weil die auch gleich um einiges teurer sind und ich ja immer sparen möchte -.-

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert